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Die neue Globalisierung (3): Kritik der Globalisierung und der Globalisierungskritiker

30. April 2019

Dies ist der dritte Teil meines Vortrages zur Frage, ob die Globalisierung vor dem Ende steht. Meine Antwort: Es gibt eine neue Globalisierung. Hier geht es also weiter mit meinem Vortrag in der ESG Greifswald am 15. April 2019, diesmal mit einer Kritik der Globalisierung – und der Globalisierungskritiker.

6. Kritik der Globalisierung
Bis hierher habe ich, zugegebenermaßen, ein recht positives Bild der Globalisierung gezeichnet. Und grundsätzlich gibt es auch viele Gründe dafür. Allerdings ist mit der Globalisierung wie meistens im Leben: Alles hat zwei Seiten. Deshalb soll es nun um eine Kritik der Globalisierung gehen, aber auch um eine Kritik der Globalisierungskritiker.
Festzustellen ist, dass mit der Globalisierung Veränderungen einhergehen bis hin zu schweren Verwerfungen. Nehmen wir das Beispiel Textilindustrie: In Deutschland werden immer weniger Textilien produziert, auch weil es in den 1990er-Jahren zu einem großen Schub bei der Abschaffung von Zollschranken kam. Umgekehrt kam die Auto-Industrie in vielen Ländern unter starken Wettbewerbsdruck, weil deutsche und japanische Hersteller extrem wettbewerbsfähig sind.
Mit anderen Worten, es gibt Gewinner, aber es gibt auch Verlierer. Das können Städte, Regionen oder ganze Länder sein. Und es trifft immer Individuen, das darf man bei der Betrachtung von aggregierten Größen nie außer Acht lassen.
Folgend möchte ich einige Hauptkritikpunkte an der Globalisierung anführen, wobei ich mit an einem Aufsatz von Bhagwati und Krishna von 2016 orientiere.

  • Offenheit schädigt eine Volkswirtschaft;
  • Freier Handel mit armen Ländern erzeugt Armut in den reichen Ländern;
  • Freier Handel beeinflusst die Einkommensverteilung zugunsten der Reichen;
  • Freier Handel führt zu einem Rückgang der Industrie;
  • Handel mit China schädigt die heimische Wirtschaft – ein insbesondere in den USA stark diskutiertes Thema;
  • Handel führt gar nicht zu Wachstum, sondern umgekehrt.

Für alle genannten Punkte finden sich Beispiele, welche die negativen Wirkungen der Globalisierung zu untermauern scheinen. Die beiden Autoren haben für ihren Aufsatz zahlreiche Studien und Daten ausgewertet. Demnach ist vielfach kein empirischer Beleg für die Thesen zu finden. Aber es gibt in anderen Studien Hinweise darauf, dass die Liberalisierung von Märkten mitunter zu weit ging und die falschen Märkte frei gegeben wurden. Das gilt weniger im Handel, als beispielsweise bei der Infrastruktur.Im Hinblick auf die USA ging dort Freihandel mit starken Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche einher. Der Abstieg der Mittelschicht dort könnte mehr mit den Steuersenkungen als mit der Globalisierung zu tun zu haben. Aus Sicht der Reichen ist es aber immer bequem, wenn sich die Wut der Benachteiligten auf irgendwelche „Die anderen“ ablenken lässt. Die Trump-Regierung hat dies auf die Spitze getrieben. Einerseits hat sie Zölle eingeführt, die wie eine zusätzlich Steuer auf den Konsum wirken – und gleichzeitig die Steuern für Reiche gesenkt. Als Sündenböcke werden den Verbrauchern aber wahlweise China, Mexiko oder Europa vorgeführt.

Meines Erachtens liegen die Ursachen für die der Globalisierung zugeschriebenen Probleme wie in diesem Fall auch vielfach auf anderen Ebenen. Sie sind oftmals Folge falscher politischer Entscheidungen. Mitunter sind sie auch die Folge quasi unausweichlicher technischer Veränderungen. Der Wegfall von Industriearbeitsplätzen hat mitunter mehr mit technologischem Fortschritt als mit Globalisierung zu tun. Und seit der Geschichte der Schlesischen Weber, nachzulesen bei Gerhard Hauptmann, wissen wir, dass der technische Fortschritt letztlich nicht aufzuhalten ist. Bevor ich erkläre, warum der Umgang mit der Globalisierung vor allem das Management des Wandels erfordert, möchte ich eine Kritik der Globalisierungskritiker anbringen.

7. Kritik der Globalisierungskritiker
Globalisierung ist, ich sagte es bereits, nicht nur ein akademischer Begriff, sondern auch ein politischer Kampfbegriff, in den fast jeder alles hineinpacken kann, was ihm Nachteile verursacht oder seinem Weltbild widerspricht. Das ist auch logisch, denn wie schon erläutert ist Globalisierung ein vielgestaltiges Phänomen.
Es gibt meines Erachtens mehrere Formen der Globalisierungskritiker.
Eine erste Gruppe sind Ideologen von rechts und links. National-konservative Menschen stören sich an der wachsenden Verbindung mit anderen Ländern. Ihnen geht es auch meist nicht um das Wohl des einzelnen, sondern um Macht und Stärke des Staates. Abschottung gegen Fremdes ist ihre Ideologie, sie kämpfen vor allem auch gegen die kulturellen Aspekte der Globalisierung und wollen die so genannte Reinheit des Volk und dessen Kultur verteidigen.
Von linker Seite vermischt sich die Kritik an der Globalisierung mit Kritik am so genannten Neoliberalismus – auch ein diffuses Konstrukt – und einem allgemeinen Anti-Kapitalismus. Damit verbunden ist oft auch ein starker Anti-Amerikanismus und eine Sympathie für die staatskapitalistischen Staaten Russland und China. Ihre Globalisierungskritik ist dann irgendwie auch nur eine Form von Nationalismus.
Nach den Ideologen schauen wir auf den Mainstream der Globalisierungskritiker, tendenziell auch eher von links, aber auch aus einer wertkonservativen Seite. Sie bringen Aspekten der Verteilung, soziale und ökologische Aspekte in die Diskussion ein. Ich finde, jeder solcher Punkte ist es wert analysiert zu werden, weil es um das Wohl von Menschen und um die Zukunft der Menschheit geht. Meine Kritik richtet sich allerdings dagegen, dass viele Probleme fälschlich unter Globalisierung subsumiert werden. Soziale Ungerechtigkeit ist eben vor allem eine Frage der Steuer- und Bildungspolitik. Wie gesagt, technologische Revolutionen lassen sich selten oder nie aufhalten. Und in Handelsabkommen sollten selbstverständlich ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Niemand braucht die oft zitierten Chlor-Hühnchen, aber der vollkommene Verzicht auf Freihandel ist auch keine Lösung.
Schließlich gibt es noch eine dritte Gruppe von Globalisierungskritikern, die Besitzstandswahrer. Ich hatte bereits das fiktive, aber plausible Beispiel des Bauern aus Vietnam genannt, der jetzt Turnschuhe näht. Natürlich ist es aus Sicht des Gewerkschafters in einem Industriestaat richtig, die Arbeitsplätze und die Löhne ihrer Mitglieder zu verteidigen. Umgekehrt profitieren Verbraucher aber von günstigen Produkten oder dem Verzicht auf Einfuhrzölle. Wollte man die Globalisierung zurückschrauben, so müssten sie für viele Produkte mehr zahlen oder sie in schlechterer Qualität kaufen.

Stefan Schaaf, April 2019

[Zum zweiten Teil]

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