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Ein Buch für Europa – Oder warum Ordoliberale und Keynesianer einander brauchen

25. Juli 2017

Deutschland und Frankreich haben die Chance Europa voranzubringen und den Euro – endlich – stabil zu machen. Der Wille scheint nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich in beiden Regierungen groß zu sein. Dazu ist aber ein besseres Verständnis des ökonomischen Denkens der jeweils anderen Seite nötig.

Einen Versuch, deutsche Ordoliberale und französische Keynesianer ins Gespräch zu bringen, unternehmen Markus K.  Brunnermeier, Harold James und Jean-Piere Landau mit „The Euro and the Battles of Ideas“. Neben einer ausführlichen Erläuterung der Genese und Bekämpfung der europäischen Staatsschuldenkrise, verbunden mit theoretischen Blöcken über Leistungsbilanzen, optimale Währungsräume etc., ist ihr Buch vor allem eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen ökonomischen Traditionen auf beiden Seiten des Rheins.

Cover_Euro-Buch

Die Autoren sind dabei wohltuend schonungslos – etwa im Hinblick auf die Konstruktionsfehler des Euro – wie auch wohltuend konstruktiv im Hinblick auf dessen Stabilisierung und Weiterentwicklung. Sie heben sich damit angenehm von jenem Weltuntergangs-Ramschtisch-Populismus ab, der in Deutschland oft in die Buchläden kommt.

Zu Jahresbeginn begannen viele an der Zukunft Europas und seiner Gemeinschaftswährung zu verzweifeln, der Autor dieses Blogs eingeschlossen. Mit der Wahl von Emmanuelle Macron zum französischen Präsidenten ist jedoch alles anders, Hoffnung kehrt nach Europa zurück, begleitet von einem vor zwei, drei Jahren noch unvorstellbaren Konjunkturaufschwung von Finnland bis Portugal. (Ok, Griechenland ausgenommen. Die Komplexität des Themas erfordert aber einen eigenen Beitrag.)

Das Buch ist der perfekte Begleiter für die Renaissance Europas. Wollen der visionäre Macron und die machterprobte Angela Merkel tatsächlich einen großen Schritt machen, so sollten sie „The Euro and the Battle of Ideas“ unbedingt lesen, damit sie nicht aneinander vorbei reden. Denn wie die Autoren feststellen, werden in Europa oft Dokumente unterschrieben, die vage sind und in die jede Seite ihre Sicht der Welt hineininterpretiert. Sie arbeiten dies insbesondere an den divergierenden ökonomischen Traditionen beider Länder heraus, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben. Hier die deutsche regelbasierte Ökonomie, die im Ordoliberalismus bzw. der Ordungspolitik ihren Ausdruck findet. Dort die stark keynesianisch-interventionistische Politik Frankreichs, die zu fiskalischem Aktionismus neigt, wo Deutschland auf die Einhaltung der Regeln pocht, um Nachahmer abzuschrecken und einen Moral Hazard zu verhindern.

Anstatt die eine von der anderen Seite überzeugen zu wollen, arbeiten die Autoren die Ursachen für diese Divergenzen heraus und finden Sie in Zentralismus versus Förderalismus. Deutschland brauchte wegen seiner stark förderalen Struktur (der einzige Versuch von Zentralismus endete im Desaster) immer strenge Regeln, während das zentralistische Frankreich sich ein geringeres Maß an Regelgebundenheit „leisten“ konnte. So letztlich die Kernthese. Ökonomische Denkschulen sind dann nur die Ableitung aus historischen Erfahrungen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass vage Kompromisse nicht helfen werden Europa voranzubringen, weil jede Seite darin nur wieder ihre Sicht der Welt darin sehen wird. Notwendig wird Bewegung auf beiden Rheinseiten sein und die Bereitschaft, aus der Tradition des anderen zu lernen und Teile davon zu übernehmen. Und hier liegt der wichtige konstruktive Part des Buches. Brunnermeier et. al. zeigen nämlich auf, dass beide Denkschulen durch Elemente der anderen bereichert werden können und dies zu besseren Ergebnissen in der Gestaltung von Fiskal- und Geldpolitik führt. Regeln brauchen in Krisensituationen interventionistische Elemente – und Interventionismus braucht Regeln, um nicht aus dem Ruder zu laufen.

Oder wie die Autoren in ihrem Schlussatz schreiben: „In Short, we have characterised as the German view and the French view actually need each other to be sustainable.”

„The Euro and the Battle of Ideas“ ist für politisch-ökonomisch Interessierte eine perfekte Lektüre für den Urlaub irgendwo in Europa. Und keine Sorge: Die drei Autoren (ein Deutscher, ein Franzose, ein Brite) schreiben ein gut leserliches internationales Englisch, dass deutlich einfacher zu lesen ist als etwa das sehr sophisticated daherkommende britische Englisch in Martin Wolfs ebenfalls lesenswerten Finanzkrisenbuch „The Shifts and the Shocks“.

Und falls jemand fragen möchte. Nein, meine Ausgabe ist im Moment nicht zu haben. Sie ist verliehen und reist in Kürze nach Italien. Der Preis von 27,99 Euro (bei Amazon) ist für das rund 400 Seiten starke Werk angemessen.

Stefan Schaaf, Juli 2017

 

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